Wir fahren auch ein Auto vom Typ „Drei Könige“, jedenfalls fährt immer ein Stern voraus. Das wurde im Sommer 23 plötzlich launisch, nach kurzer Fahrt glaubte man, Känguru-Diesel getankt zu haben. Es ruckelte und hoppelte, außerdem schienen etwa 200 seiner Pferdchen in Streik getreten zu sein. Das verschwand zwar nach einigen Minuten, aber das gelbe Lämpchen im  Display war kein Dauerzustand. Ein Werkstattbesuch stand an.

Der Chef der Motoren befragte einen Messcomputer und diagnostizierte einen Defekt des rechten Luftmassenmessers. Nach einem Blick in eine lange Liste runzelte er die Stirn und versuchte und schonend klarzumachen, dass das uns ca. 1000 € kosten würde. Das Bewusstsein haben wir schon nach 30 Minuten wiedererlangt...

Eigentlich sind sogar zwei Luftmengenmesser verbaut. Sie stellen fest, wieviel Luft der Motor momentan pro Sekunde einatmet. In Abhängigkeit davon wird ihm sein Futter, Verzeihung: der Diesel, zugemessen. Fällt das Messergebnis falsch aus, erhält er erheblich zu viel oder zu wenig Kraftstoff, worauf er meistens mit einer ziemlichen Verstimmung und Rückfall in den Notlaufbetrieb reagiert.

Geweih 2

Der defekte Luftmengenmesser.

Was erhält man nun für so viel Geld? Ganz einfach: ein bisschen Plastik, einige Dichtungen, zwei Luftmassenmesssmodule. Halt: eine Schlauchschelle habe ich vergessen. Das ganze bildet eine Baugruppe, die nach aufgrund des Aussehens auch „Geweih“ genannt wird. Nein, das Teil wird nicht einzeln von einem Juwelier angefertigt, das ist Massenware. Die eigentliche Luftmassenmessung erfolgt mit einem kleinen Chip, verbunden mit einwenig Mikroelektronik  Der Chip wird beheizt und Im Prinzip stellt er fest, wie stark die vorbeiströmenden Luft ihn abkühlt. Herstellungskosten der ganzen Baugruppe wahrscheinlich knapp 5 €, o.k. hier will noch jemand was verdienen, sagen wir 50 €, 150 mit dem Plastikgehäuse. Dieser Luftmassenmesser ist noch nicht einmal von den Leutem vom Stern hergestellt. Es wurde für die Autobauer von B**** montiert.  (Der Name klingt so wie das Wort, mit dem Franzosen manchmal früher herablassend Deutsche bezeichnet haben.)

Detail   

 Einbauort des Sensors, Anschluss

 

Geweihende

 Die Einzelteile, hier verbunden

Ist da noch die Frage, warum man denn das ganze Geweih tauschen muss, wenn nur ein Luftmassenmesser defekt ist. Die Hersteller der Ersatzteile behaupten das jedenfalls. Die Luftmassenmesser sind in den beiden „Ohren“ am Ende des Geweihs eingebaut. Eines Nachbar ist Meister bei den Sternianern und sagte mir, dass man die „Ohren“ abhebeln kann. Mangels Übung habe ich etwa 3 Minuten dafür gebraucht. Wenn man dem abgelösten Ohr etwas näher auf die Pelle rückt, sieht man oben die Steckverbindung des elektrischen Anschlusses für diese Seite. Diese Steckverbindung ist ein Ende eines Gehäuses, am anderen Ende des Gehäuses ist der  Sensor, der in den Ansaugluftstrom ragt. Dieses Teil ist nur wenige cm groß und steckt wie ein Korken im jeweiligen „Ohr“. Könnte man das herausclipsen oder abschrauben, müsste man nur dieses ca. 5 cm großes Modul ersetzen. Dieses Teil ist wahrscheinlich genauso in ganz vielen anderen Luftmassenmessern verbaut, die sich ansonsten nur durch die "Verpackung" (Gehäuse) unterscheiden. Diese Verpackung hängt nur von der mechanischen Konstruktion des jeweiligen Motors ab. Es wäre doch viel einfacher, nur den defekten Sensor zu tauschen, es müssten viel weniger Teile bereitgehalten werden. Allerdings würde der Hersteller weniger verdienen.

Luftmassenmesser am Geweih

Sensormodul, Herstellerkennzeichnungen 

Die beiden Öhrchen tragen selbst wieder eine Teilenummer 0281002955 des Herstellers B**** und eine zweite Nummer A6620900048 von den Leuten  mit Stern. Sie sind offenbar als einzelner Luftmassenmesser in anderen kleineren Motren verbaut. Auch bei der Suche nach diesen beiden Nummern wird man im Netz schnell fündig.

Autoersatzteile werden von ganz vielen Firmen verkauft. Einmal von den, die sie für den Hersteller fertigen, aber auch von ganz vielen anderen Unternehmen, die von Autoersatzteilen leben. Nun steht auf der Gesamtbaugruppe die Ersatzteilnummer A6420901642. Damit findet man auch sofort mehrere Angebote für das ganze Geweih, auch viel günstiger. Na gut, der Inhaber der Werkstatt möchte nicht lange im Internet suchen, er wendet sich direkt an einen Lieferanten, der möglichst viele der von ihm benötigten Teile schnell und zuverlässig besorgt. Außerdem gibt es erhebliche Qualitätsunterschiede, auch Fakes aus dem Osten werden angeboten. Akzeptieren wir die Wahl des Lieferanten durch den Werkstattchef. 

Sensorchip

Eigentlicher Sensor ohne Gehäuse (Quelle: Wikipedia)

Gar kein Verständnis habe ich aber dafür, dass hier der Anschein erweckt wird, man müsse das ganze Geweihl auswechseln. Wie schon erklärt, das stimmt nicht. Hier werden sinnlos Resourcen verschwendet. Dem Lieferanten sollte man deshalb mal ordentlich auf die Füße treten, wenn er unnöige Teile des Profits wegen verkauft. Und der wird garantiert auch einzelne Luftmassenmesser mit der eingeprägten Teilenummer im Programm haben, da sie ja offenbar auch einzeln verbaut werden. Der dumme Kunde wird abgezockt. er merkt ja meistens sowieso nicht, wie er hier über den Tisch gezogen wird. Falls man wirklich beim Auseinanderbau das verbindende Element zerstören sollte, auch darauf steht jeweils eine Ersatzteilnummer. Zusammensetzen kann man die Einzelteile, indem man die Einzelteile kräftig zusammendrückt. Die rasten dann ein. Das schafft jede Werkstatt.

Das reicht insgesamt für die saure Zitrone in Platin!