Die Kultusministerin von Nordrhein-Westfalen hat uns erklärt, wie sie die fehlenden Lehrerstellen an den Schulen will. Sind die neuen Maßnahmen wirklich Rezepte gegen ein lange bestehendes altes Übel?

So sollen Lehrer zukünftig mehr zu anderen Schulen abgeordnet werden, wenn dort ein Bedarf besteht. Eine zeitliche Begrenzung der Abordnung soll es nicht mehr geben. Neu eingestellte Leute sollen in wesentlich höherem Maße „herumgeschoben “ werden. Grundsätzlich hat es Abordnungen immer gegeben, wenn sich plötzlich (!) ein Bedarf nach Unterricht in einem bestimmten Fach ergab. Daraus können sich auch wirklich gute Erfahrungen ergeben. Die Auswahl des / der Abgeordneten erfolgte aber nicht selten unter dem Aspekt einer Disziplinierung. Jetzt sollen Defizite im System durch diese Form von Menschenhandel kaschiert werden.

Darüber hinaus soll die „grundlose Teilzeitarbeit“ abgeschafft werden. D.h. wer nicht gerade kleine Kinder hat, für die gesorgt werden muss, hat keinen Grund für Teilzeitarbeit. So sieht es jedenfalls die Ministerin. In der Tat arbeiten viele Lehrer in Teilzeit, allerdings nicht ohne Grund. Viele schaffen einfach den vollen Arbeitsumfang in einer Schule nicht mehr. Immer mehr Bürokratie und unterrichtsferne Arbeiten blähen Zeitaufwand gewaltig auf. Die Kollegen erkennen, dass sie einen Unterricht, der ihren eigenen Qualitätsansprüchen genügt, nicht mehr in vollem Umfang geben können. Andere sind einfach derartig ausgebrannt oder vom System der Schule frustriert, dass sie sich auf diesem Wege Erleichterung verschaffen wollen. Dazu trägt bei, dass die Führungsqualitäten von Vorgesetzten mitunter nur aus Anwendung psychischer Gewalt bestehen. So kann der Beruf für Betroffene zum Horror werden. Dem Verhältnis Schüler- Lehrer und der Qualität des Unterrichts ist das wohl kaum zuträglich.

Neuanfänger kennen die Lage in der Schule nicht, sofern nicht ihrer Eltern auch in diesem Beruf sind. Lehrerstellen auch bleiben unbesetzt, weil die Bezahlung nicht gerade üppig ist. Die Aussicht auf weitere Entwicklungsmöglichkeiten ist gering. Eine oder maximal zwei Stufen in der Hierarchie sind möglich. Ob man die allerdings aufsteigen kann, hängt mehr vom gezeigten Gehorsam ab. Die Ausbildung zum Lehrer dauert 7-8 Jahre, in dieser Zeit kann man in anderen Berufsfeldern mehr erreichen.

Neue Lehrer, noch in der Ausbildung steckend, müssen schon nach sechs Wochen an der Schule eigenständig bedarfsdeckend unterrichten. So fallen die Personallücken nicht so deutlich auf. Natürlich ist letztlich Unterricht die Kernaufgabe, die man nicht in der Theorie sondern in der Praxis lernt. Aber das muss unter Anleitung eines erfahrenen Mentors geschehen. Wir setzen auch aus gutem Grund nicht Leute, die seit sechs Wochen eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer machen, als Fahrer in einen Autobus oder LKW.

Unser Wohlstand gründet nicht auf Bodenschätzen oder Landwirtschaft, es sind geistige Ressourcen. Die zu entwickeln, wird immer noch sträflich vernachlässigt.